Atelierkonzert und Ausstellung 19. und 20.09.2015

Samstag, 19. September 2015, 18 Uhr KOnzert und ausstellung
sonntag, 20. september 2015, 12-18 Uhr ausstellung

Atelierkonzert “Fragmente – Konstellationen II” und Ausstellung
Laura Gallati & Leslie Leon | mit Malerei von Bignia Corradini

Mela Meierhans (*1961) – A-a (1999/2000, nach einem verborgenen Text)
Franz Schubert (1797-1828) – Schwanengesang (1828, nach Texten von Ludwig Rellstab und Heinrich Heine)

mit:
Laura GallatiKlavier                                                                                                         Leslie LeonMezzosopran

Leslie Leon und Laura Gallati arbeiten seit Jahren an Programm-Konzepten, die zeitgenössische und klassische Liedliteratur miteinander konfrontieren, verändern, erweitern, verfremden und schon Bekanntes in ein anderes Licht tauchen wollen.

Programmfolge
A-a I

Liebesbotschaft (Ludwig Rellstab)

Kriegers Ahnung (Ludwig Rellstab)

Frühlingssehnsucht (Ludwig Rellstab)

A-a II

Ständchen (Ludwig Rellstab)

Aufenthalt (Ludwig Rellstab)

In der Ferne (Ludwig Rellstab)

Abschied (Ludwig Rellstab)

A-a III

Der Atlas (Heinrich Heine)

Ihr Bild (Heinrich Heine)

Das Fischermädchen (Heinrich Heine)

A-a IV

Die Stadt (Heinrich Heine)

Am Meer (Heinrich Heine)

Der Doppelgänger (Heinrich Heine)

A-a V

 

A-a – Version für Stimme und präpariertes Klavier

Das fünfsätzige Werk bezieht sich auf ein nicht genanntes Gedicht von Ingeborg Bachmann. Mit A-a macht Mela Meierhans den Schritt in eine neue Werkphase. Es markiert im Schaffen der Komponistin den Übergang von Melodie und Durchführung zum Fragment und zur Netzstruktur, vom Vokalklang zum Geräusch.

„[Die] Linien und Melodien und Schichten […] haben angefangen, mich zu behindern und zu stören. Und das zu zerstören ging nur, indem ich das erst einmal anders notiert habe.“ Mela Meierhans

Anfangs- und Schlusssatz, Einklang und Ausklang, ebenso wie der Mittelteil, Zwischenklang, korrespondieren formell und strukturell miteinander. Perkussion und Stimme sind klanglich homogen gedacht. Sie heben sich von den in der musikalischen Gestik vollkommen andersartigen Teilen II und IV ab.

Der Text ist nur als Subtext vorhanden. Pro Wort konzipiert die Komponistin jeweils ein musikalisches Fragment, dieses trennt sie in Silben und Phoneme, ändert deren Reihenfolge und chiffriert den Text auf diese Weise. Die Ausführung bestimmt die Sängerin. Jedem Fragment sind drei weitere stimmliche Parameter zugeordnet, die die Dynamik, Tonveränderungen durch Glissandi, Stimmtechnik bzw. –färbung betreffen. Hier bestimmt die Komponistin die Parameter Dauer des Fragmentes in Sekunden durch mehrere Variationen der Fibonacci-Reihe. Teil II und IV des Werkes sind als interaktive Partituren zu verstehen. Das Tonmaterial ergibt sich durch Umwandlung ausgewählter Buchstaben in Töne.

Foto 28.03.

Abb. C 7: A-a, Stimme, II,1, Fragment 4

Ein wichtiger Aspekt der Komposition ist die für das Werk der Komponistin neuartige, experimentelle Notationsweise. A-a ist auch ein Notationsexperiment. Ihr geistiger und kreativer Hintergrund hat nicht nur Auswirkungen auf dieses Werk, sondern eröffnet eine ganze Schaffensphase, die explizit den Verzicht auf Linien und Melodien postuliert.

Leslie Leon

 

Schwanengesang

Der „Schwanengesang“ ist nach „Die schöne Müllerin“ und „Winterreise“ Schuberts dritter und letzter Liedzyklus, geschrieben wenige Monate vor seinem Tod 1828.

Schubert bleibt auch da der Wanderer am Abgrund. In den sieben Texten von Ludwig Rellstab und den sechs von Heinrich Heine – ernst und sehnsüchtig bei Rellstab, ironisch-abgründig bei Heine – dreht sich viel um Heimat, um Abschied und Ferne: so in „Liebesbotschaft“, „Kriegers Ahnung“, „Aufenthalt“, „In der Ferne“, „Abschied“ im ersten Teil. („…es ist keine Heimat hier, sondern eine erinnerte. Nirgends ist Schubert der Erde ferner, als wo er sie zitiert“ Th.W. Adorno);  phantasmagorischer dann im zweiten Teil: in „Der Atlas“ und „Die Stadt“ werfen Schubert und Heine einen verzweifelten Blick auf die Unerträglichkeit der Welt, während „Ihr Bild“ und „Das Fischermädchen“, auch „Am Meer“ Heines gebrochenen Umgang mit Liebesverlust in Schuberts kongenialer Ausweitung davon aufzeigen. Die innere Zerrissenheit, das unbestimmte Sehnen durchziehen den ganzen Zyklus. „Schwanengesang“ ist also insgesamt schon weniger geschlossen als  „Die schöne Müllerin“ und „Die Winterreise“; zudem unterscheiden sich der erste und zweite Teil des letzten Schubertwerkes. Des Kriegers Ahnung von nicht realem Liebesglück, jedoch realer Todesangst, oder die scheinbare Idylle des Ständchens, bewegen sich, mehr in der Musik als im Text, in immer existenziell bedrohten Träumen. Jedoch erst bei den Heine-Vertonungen im zweiten Teil kippt dieses sich aus Unglück hinwegträumen um in zwei der schwärzesten Werke der Liedliteratur überhaupt. Das Lied „Die Stadt“ ist ein visionärer Entwurf in die musikalische Zukunft: die dem Wellenschlag abgelauschte monotone Bewegung des Klavierparts könnte hundert Jahre später bei Debussy stehen, scharf kontrastiert gezackten Trauermarsch in Stimme und Klavier in beethovenschem c-moll. Beim „Doppelgänger“ kündigt sich schließlich Zerrüttung pur an – das Ende ohne Perspektive. Geschwunden ist der letzte Hoffnungsschimmer und aller falsche Trost, dass es nur ein Traum sein könnte: Die Klavierbegleitung konzentriert sich auf eine sechsmal wiederholte, auf der Stelle tretende Abfolge von vier kahlen Akkorden (eine Referenz an das B A C H – Motiv) – die Zeit des Singens war für Schubert damit endgültig vorbei.

Laura Gallati

 

Bignia Corradini wurde 1951 in Zürich geboren und lebt seit den 70er Jahren in Berlin. An der UdK Berlin studierte sie Malerei bei Prof. Hermann Bachmann. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland. Ihre Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Auftragsarbeiten im Bereich Kunst und Architektur. Für weitere Informationen: http://www.bigniacorradini.ch/

Fallen_150x 170cm_2015                                         »Fallen«, 150 x 170cm, Acryl auf Leinwand, 2015. © Bignia Corradini

Musik und Malerei brauchen einander nicht zwingend. Aber bei manch einem klingt es in den Ohren, während er mit den Augen durch ein Gemälde wandert und verschiedenartige Farbelemente sieht. Im Hören von Musik sehen andere vor ihrem inneren Auge Farben oder Bewegungen im Raum, sich selbst oder Stücke von Welt.

Bignia Corradini hat das Atelierkonzert von Leslie Leon und Laura Gallati schon einmal gehört und Werke ausgesucht, die sich anbieten, um wechselseitige Bezüge zwischen Musik und Malerei entdecken zu können.

Können wir im Sehen und Zuhören unsere Sinne schärfen für das Hören und Sehen? Beeinflusst die Wahrnehmung der einen Kunst, wie wir die andere erleben? Was lässt sich gegenüberstellen? Das können visuell und akustisch einzelne Partikel oder Splitter sein, aber auch rhythmische Abfolgen, Dynamiken, Passagen. Sowie man bei den Liedern manchmal mehr auf die Stimme hört und der Gesamtklang transparent wird, so treten auch in den Bildern Geflechte und Bewegungen mal deutlicher hervor oder ziehen sich wieder zurück in die Gleichzeitigkeit der Farbelemente. Scharfkantig setzen sich einzelne Flächen in den allmählichen und den unvermuteten Übergängen voneinander ab. Ebenso nehmen wir im Konzert nicht nur die einzelnen Stücke wahr, sondern achten auch auf die Art der vielfältigen Übergänge zwischen den Liedern von Franz Schubert und zwischen Schuberts romantischen und Meierhans´ zeitgenössischen Werken.

…»Ein Anschießen von Widersprüchen, Kontrasten, Ungleichartigem, das im Aufeinandertreffen momentan verharrt, stockt. Die Bilder stocken, ihre Bewegtheit liegt ganz und gar im Stocken, geht darin auf. Stockend erscheinen sie bewegt. Eine äußerste Versammlung von Dynamik in der wechselseitigen Brechung der Bildelemente«…  (Robert Kudielka, zur Malerei von Bignia Corradini, Herbst 2000).

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