Soundscape for theatre, in Zusammenarbeit mit Katharina Rosenberger, N.Y. (55 Min.) Elektronische Musik für ein Theaterstück über Emily Kempin Spyri.
(CD bei der Komponistin)
Projekt: Die Wachsflügelfrau
Die Musik von Mela Meierhans und Katharina Rosenberger wird eine fliessende Klang-Collage werden. Eine nuancierte atmosphärische Umrahmung des ganzen Geschehens auf der Bühne. Die Struktur dieser Musik unterliegt klar definierten Klangräumen, welche im engen Zusammenhang mit den jeweiligen Schauplätzen des Romans – Zürich, New York, Berlin, Basel – stehen (siehe auch beiliegende Auflistung). Die Ausstattung der einzelnen Klangräume wiederspiegelt die entsprechenden Umstände, in welchen sich Emily Kempin jeweils befindet:
Zürich Unterdrückung, Isolation, Zerrissensein zwischen Familie/Studium
New York Sich-Selbst-Findung, Freiheit, Anerkennung, Erfolg, jedoch auch weiterhin Schuldgefühle gegenüber der Familie
Berlin Arbeit, Vorträge, Publikation, Erschöpfung und Klinik
Basel Klinik, Zwangsisolation, Vereinsamung, Krankheit, Tod
Das konservative und erdrückende Umfeld in Zürich wird klanglich durch eine sehr nahe und zielgerichtete Aufnahmetechnik wiedergegeben. Dem Mikrophon wird schon bei den Aufnahmen ein Filter aufgesetzt, welcher alle Klänge ausserhalb eines 90% Winkels ausschliesst. Die so hervorgerufenen Geräusche sind greifbar nah, rauh und wären im photographischen Kontext ausgedrückt “grobkörnig”. Die Zuhörer sind ihnen ausgesetzt, die dargestellten Gegenstände erscheinen überdimensional gross; es gibt kein Entrinnen.
New York hingegen verleiht den Eindruck der grossen Welt, der Freiheit. Emily Kempin kann sich entfalten und ihrer Leidenschaft nachgehen. Sie erhält grosse Anerkennung. In den meisten Fällen wird in einem “Omni-” und “Bi-Directional” Verfahren aufgenommen, eine Methode, welche sich grossräumig anhört und viel “Ambiance-Noise” zulässt.
In Berlin wird mit realen Klangverhältnissen gearbeitet, insbesondere mit historischen Aufnahmen von Pferdedroschken, der Pferdetramway und von der Stadtbahn von Berlin um 1900, also zur Zeit von Kempins Berlinaufenthalt.
Basel: Kinik, hier wird mit einem elektronisch verfremdeten, künstlichen Raum gearbeitet, (als Symbol, wie es im Buch auch immer wieder verwendet wird, das Knirschen von Eis).
In den beiliegenden Auflistungen von Mela Meierhans sind die Geräusche, wie sie im Buche beschrieben werden, in chronologischer Abfolge einsehbar. Die Komponistinnen werden von diesen eine Auswahl treffen, welche die obig erwähnten Themen am besten darstellen und portraitieren können. Das Bestreben ist, eine Klangcollage zu erzeugen, welche eine übergreifende, in sich schmelzende und organische Entwicklung vorweist und nicht eine aneinandergereihte Darstellung der “klanglichen Events”. In diesem Zusammenhang wird auch eher eine beschränkte Anzahl von Geräuschen ausgewählt, welche jedoch in sich zahlreiche, zuweilen subtil oder auch starke Variationen und Kontraste aufweisen. Die Klangräume und angeschnittenen Themen sollen für die Zuhörer identifizierbar sein ohne jedoch überflüssig oder “wiedergekaut” zu wirken. Die akustische Eigenartigkeit der Klangräume erlaubt es, sie beliebig miteinander zu kombinieren. In diesem Sinne kann eine multidimensionale “Soundscape” erschaffen werden, welche auch in Verbindung mit den akustischen Kompositionen und Improvisationen stehen kann.
Zum Arbeitsverfahren von Mela Meierhans und Katharina Rosenberger
Die Bearbeitung des Rohmaterials (der Aufnahmen) erfolgt mit Hilfe der folgenden Computerprogrammen: Metasynth, Max/MSP, Peak, Digital Performer (mit GRM Plugg-Ins), Audio Logic und Pro-Tools. Geräusche werden auf ihr spektrales Potenzial hin analysiert und via Metasynth und Max/MSP manipuliert. Bestimmte Obertöne können so verstärkt, herausgefiltert oder neu kombiniert werden. Es ist eine mikrokosmische Bearbeitung in der Innenwelt eines Klanges. Die Erkennungsmerkmale eines Geräusches können so beibehalten werden, jedoch werden sie subtil vom Kern des Klanges her manipuliert und fortzu verändert.
Weitere Arbeitsverfahren beinhalten “Granular-Synthesis” and “Phase Vocoder”. Das Erstere beinhaltet eine Aufsplitterung und Fragmentation des Klanges, welche dann x-beliebig wieder an- und übereinander gefügt werden kann. In Max/MSP ergeben sich so fantastische rhythmische Möglichkeiten zu Variationen und Komplexität. Im Gegensatz dazu steht “Phase Vocoder”, wo die Evolution der Frequenzen in der zeit-lichen Abfolge manipuliert und “lang-gezogen” werden können. Dieses Verfahren stützt sich auf die Klangexperimente von Jean Baptiste Joseph, Baron de Fourier und ist auch bekannt unter der Bezeichnung “fast Fourier transforms” (FFTs). Schlussendlich werden auch Aspekte wie “Sound Spatialization” und “Reverberation” zur Unterstützung einer möglichst hochstehnden räumlichen Projektion der elektor-akustischen Musik (Spacial Projection in Performance) angestrebt. Mela: Erkläre dein DVD System!
Dem Ensemble wird eine CD übergeben, bei welcher dann in der Aufführung die einzelnen “Tracks” direkt angewählt werden können, aber auch besteht die Möglichkeit, die Musik durch ein Mixingboard schleusen zu lassen und dann “live” während der Aufführung von Mela Meierhans angepasst und sachte manipuliert zu werden.
Die erste Arbeitsphase, die Aufnahme der Geräusche, ist abgeschlossen. In den kommenden Wochen wird das Rohmaterial von den Komponistinnen per Computer unter den obig diskutierten Aspekten bearbeitet. Dabei konzentriert sich Mela Meierhans auf die Klang-räume Berlin, Basel und Katharina Rosenberger auf Zürich und New York. Ende Oktober werden in einer gemeinsamen Arbeitsphase die elektro-akustischen Kompositionsteile miteinander verbunden und klanglich aufeinander abgestimmt oder kontrastiert. Der “Mix-Down” findet in New York Ende Oktober während zwei Wochen in den Studios des Computer Music Centers der Columbia Universität statt.
Katharina Rosenberger
New York, September 20, 2002
geräusche wie sie chronologisch im buch vorkommen
(1899 friedmatt, basel)
ihre SCHRITTE sind kaum vernehmbar IM KIES (s.5)
hängesilberlinde: silbrig befilzte blätter, bewegt vom wind (s.6)
(1888 schiffsfahrt nach NY s.12)
in der kajüte das dröhnende vibrieren der maschinen
das wimmern der kleinen tochter
..die personalkontrolle
…wo alles in der koje geklappert hat, eine lose holzbole in der wandverkleidung, sogar das zahnglas in seiner halterung (s.15)
(s.14 manhatten hochhäuser)
DRIFTENDES EIS
(hudson s.16)
masten und segel
…die spitzen schreie der kleinen agnes
“schön in die neue welt,mister, kostet 2 pennies, schön in die neue welt für 2 pennies”
(s.21 zürichsee)
(washingtonsquare s.22)
EISENBAHN. SCHIENEN
(broadway s.24)
PFERDEdroschke droschken pferdetramways , equipagen mit fast geräuschlosen gummirädern
(friedmatt s.26)
die gespräche
polterndes lachen
windig VEREISTE äste schaben am fenster
(zürich s.29-41)
backerbensuppe
..löffeln, man hört es am tellerrand klingeln
EISENBAHN, ein modell
sturmgeläute von glocken (neumünster)
geschirr spült
samowar
teemaschine ausblasen (wollen)
polka geigenbogen
vater redet und redet
worte wie sich drehende schleifräder
die welt eine gigantische dampfmaschine
(burghölzli, als kind, s.42)
KIESWEGE
f(riedmatt, erinnerung s.43)
ich höre eine EISENBAHN rattern, das fensterglas klirrt
wipfel der bäume rauschen
DIE EISENBAHN IM VORMARSCH (s.44)
“damit andere leben können, sagt mutter”…. (s.45)
(zürich neumünster, s.48)
ringelreihen
abgedroschener singsang
möwen kreischen
schwimmt und schwimmt
(washington square s.51)
aus der strassenschlucht steigt ein brandendes geräusch herauf
musikanten spielen irische volkslieder
tauben fliegen auf
(NY s.54)
bläst der wind dürre blätter in kreiseln durch die avenuen
schlittschuhläufer ZIEHEN AUF VEREISTEN TEICHEN ihre figuren
hält eine reiterin ihr pferd an
begeistertes klatschen s.57
läutet an der wohnungstüre
protestzug (russisch) s.61
enge zü. s.62
wind bewegt blätter der uferbäume
klang eines harmoniums
töne gesang, doppelquartett der harmonie zü
ein windstoss
(friedmatt s.67)
einen stein heben zum WURF. DIE EISFLÄCHE KRACHT unter dem aufprall. durch das (..) EIS ZIEHEN SICH SPRÜNGE. sie trampelt auf der fläche herum BIS ES KNIRSCHT. blubbernd presst sich das pfützenwasser durch..
NY
the old homestead S.73)
bayerische kapelle, posaune umpta umpta umpta
EIN ZUGder elevated railway DONNERTE von der battery herkommend über ihre köpfe
(ecke broadway 14. strasse s.76)
aus den restaurants und theater kommend: das gejohle der betrunkenen, gesprächsfetzen drangen herauf
(st peter zürich s. 78)
glockenläuten
gesänge der männerchöre
(NY s.83)
MIETDROSCHKEN, PFERD im TRAB, schneller als erlaubt
emily: vortrag “the alienist and the law”
zürich
wagner (s.90)
aus dem kinderzimmer geschrei
tausende von treppen, hin und her, treppauf,treppab
betzeitglocke, nuschelflüsterworte
wie ein echo, wandschrank langsam knarren sich öffnet (s.95)
E: HAUCHT gegen die mit EISBLUMENverkrustete scheibe
keuchend hustend
zürcher PFERDE tramway
es erhob sich ein wüster lärm, schreien johlen, pfeifen (studenten + erste studentinnen s. 107)
PFERDE TRAMWAY, EINPÄNNIGE WAGEN, NUR TRABEN
(NY s.110)
hüstelt, er atmet schwer
pianoforte
(zürich grossmünster s.111)
das geläute jubelrufe silvesternacht 1884/85
elektrisches licht, telefonnetz, kloakensanierung
EISBLUMEN am fenster
schwärme von vögel, suchen kreischend nach nahrung
EISZAPFENGRUFT (s.121)
tauben fliegen auf, das fauchen des blasebalgs (schmiede)
hämmern vom schuhmacher (s.124)
(klinik Basel s. 127 )
das klingeln der stricknadeln
eine glocke, frisst sich ihre schere durch zeitungspapier
sie flüstert
( zürich s.139)
liess die fingergelenke knacken
lachend, nach kurzem anklopfen
(manhatten s.147 )
elevated RAILWAY
männliche stimmen im chor, pulsschlag
kaminfeuer (s.151)
das meer ist ruhig
dädaqlus, der sturz, dieser zusammenprall (s.154)
geschichten von walter scott, diskussion
das atmen und stöhnen des kindes, die stille (s.160)
regengüsse, quaimauer, stürmisch s.163
die KUTSCHE, die umdrehung der wagenräder (bedrohlich) (s.164)
(zürich s.172)
nordostbahn, EISENbahngesetze, LOKOMOTIVEN (s.175)
(berlin s.179)
reist nach berlin
KUTSCHE vom bahnhof abgeholt
fahnen auf halbmast
diskussion
( zürichsee s.184)
rotes blitzen
überfahrt NY
postdampfschiff
(NY s.185 )
antrittsvorlesung
(zürich s.187 )
zart bewegt von den wellen
(basel klinik s.188 )
lässt mit einem stoss die gläserne flügeltüre schwingen/ papier, zerknüllt das blatt, wirft den ball
kiesweg, abgedriftet auf einer EISSCHOLLE (s.190)
sie sprach mit schweizerischem akzent, nicht affektiert (s.198 berlin)
sie redet: (..)die fugen zwischen den wörtern füllen sich mit atem, sätze rollen wellenförmig an, (..) die luft zu tanzen beginnt im rhythmus drer wörter s.200)
(zürich s. 205 )
eine tür war ins schloss gefallen
(berlin s.207 )
applaudieren, schlägt mit dem löffel ans kaffeglas bittet um ruhe
zusammen singen
(zürich s.210 )
ruderinnen, das keuchen der jäger
liessen rasselnd ihre türgitter herunter
TRAMWAY
kratzen der schreibfeder
kastenartiges gramola, walzermusik
beim rattern der schreibmaschine
sie prustet, lacht
( klinik basel s.218)
ein fräulein steht im walde ganz still und stumm….
geschrien hat sie, dann geseufzt
auf und ab auf dem kies, verschlungene linien
sie hat das 1893 erschienene “le droit des femmes” ins deutsche übersetzt (s.222)
mit nagel schloss geknackt (s.223
weg zum bahnhof
sie lacht glucksend, ihre schuhe klappern, die absätze malträtieren das pflaster
das hallt und scheucht krähen auf: “tag frau kempin”
PFERDEGETRAPPEL, karrenlärm, ein hund schlägt an (s.224)
, das geräusch des sich nähernden wagens, er hält ruckartig an, springen vom trittbrett, zerren sie in den wagen
GAUL FÄLLT IN TRAB: strassen band schnurrt zurück
das tor (friedmatt)
vogelschwärme (s.226)
(zürich s.227 )
ihr läuten an der tür
ich möchte zu vater, ruft emily, unregelmässiges röcheln
(zürich umzug)s.231)
die vorstellung in einem fahrenden ZUG zu sitzen, rasende geschwindigkeit
SCHIENEN tödlich enge spur
erstickt in gekicher (tochter), er lacht wenn sie lacht
(s. 242 berlin)
droschken, familienlandauer PFERDEWAGEN stallknechte zu PFERDE
wind fährt durch die blätter
kundgebung der frauen- konzerthaussaal
rechtsbrevier für deutsche ehefrauen, merkssprüche: (s.247)
zornesworte, mitten ins gesicht geschlagen
schoss ein vogel gegen die geschlossene fensterscheibe (s.252)
beginnt zu schluchzen, hat geweint
klinik berolinum berlin
ein ZUG brauste heran (s. 257)
schwimmen schwimmen, keuchend, wellen rollen heran
( klinik basel s.259)
das glas mit atem beschlagen
m.m. sept 2002