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"Enigma"
nach einem Gedicht von Ingeborg Bachmann, für Instrumentalensemble
und Live-Elektronik / Audiodesign: in Zusammenarbeit mit Volker Böhm
(Dauer 13:23 Min.)
Enigma
I. Bachmann
für Hans Werner Henze aus der Zeit der ARIOSI
Nichts mehr wird kommen.
Frühling wird nicht mehr werden.
Tausendjährige Kalender sagen es jedem voraus.
Aber auch Sommer und weiterhin,
was so gute Namen
wie "sommerlich" hat -
es wird nichts mehr kommen
Du sollst ja nicht weinen,
sagt eine Musik.
Sonst
sagt
niemand
etwas
Enigma= Rätsel / Paradox / ein ungelöstes Problem
Ensemble Phoenix,
Leitung J. Henneberger
Besetzung:
Violine/Viola/Violoncello/Oboe/Horn/Bassklarinette/Tamtam/ gr. Trommel
Elektronik: in Zusammenarbeit mit Volker Böhm:
1. Aufnahmen einer Stimme (Sprache und Gesang) dienen als Grundlage für
die vorbereitete Elektronik
a) Sprache: "granulierter" Text= pro Minute eine Zeile und
b) Gesang: pro Zeile jeweils ein gesungener Ton
2. Live Elektronik: bestimmte Klangsequenzen der 8 Instrumente werden
live-elektronisch verändert.
Stimme*: Leslie Leon
*(Aufnahmen von Sprachfragmenten/Gesang)
Diese Komposition wurde angeregt durch das Gedicht "ENIGMA"
von Ingeborg Bachmann. I. Bachmann selbst schrieb dazu: "Dieses Gedicht
ist eine Collage, es bezieht sich auf die «Altenberg- Lieder»
(Nichts ist gekommen...) von Alban Berg und auf die 2. Symphonie von G.
Mahler (eigentlich Frauenchor: 3. Symphonie 5. Satz..
du sollst ja
nicht weinen) (..).
Inhaltlicher Bezug / Deutung:
A) Sprachgebilde mit paradoxen Aussagen
Gedicht Enigma von Ingeborg Bachmann
B) Klagegesang (subjektive Interpretation des Gedichtes)
A) Sprachgebilde mit paradoxen Aussagen
Gedicht
B) Klagegesang
Es ist eine mögliche (subjektive) Deutung des Gedichts, einen Bezug
zum Klagegesang (Tradition in div. Kulturen) herzustellen.
"Klage als Trost" oder wenn
"Hoffnung nicht durch Freude sondern durch Klage ausgedrückt
wird" ,
Es wird ein Tag kommen".."/ Kein Tag wird kommen"/ "Dennoch
ist in der Kapitulation noch Hoffnung und diese Hoffnung wird nie aufhören"(aus
Materialien zu "Malina" von I. Bachmann)
Struktur eines Klagegesangs
"Mit Myroloja bezeichnet man Klagegesänge, eine Form neugriechischer
Volks- dichtung, eine spezielle Volksliedkunst..eine formalisierte und
rituelle Klage, die den Verlauf des Trauerprozesses ordnet (..). In dieser
rituellen Klage bleibt Raum für spontan entstehende Dichtung und
improvisierten Gesang.
"Es gibt keine einheitliche Struktur der Trauerklagen, da das Ganze
immer von der Person der Klagenden abhängig ist. Grundsätzlich
aber können wir eine Dreiteilung feststellen: Prolog, Auslegung des
aktuellen Falles und Epilog."
Das einzige was feststeht ist die achtsilbige Versstruktur. Wir finden
sie im Gebiet von Mesa-Mani im südlichsten Teil von Sparta. Die Myrolja
in anderen Teilen Griechenlands und auf den griechischen Inseln sind fünfzehnsilbig.
Man könnte sie als weich und zart bezeichnen, während die achtsilbigen
Myroloja von Mesa-Mani herber und heroischer klingen. Ihr Inhalt ist lyrisch
dramatisch und episch zugleich. Die Melodie bewegt sich meistens innerhalb
einer Oktave, der Rhythmus erfährt Verschiebungen, sobald sich die
Gefühle verändern."
(aus Jorgos Canakakis "Ich sehe deine Tränen")
Kommunikation: Paradoxe und Gegenparadoxe
gewisse in der Gruppentheorie und logische Typenlehre (Kybernetik) verwendete
(mathematische, stark vereinfachte) Begriffe wurden auf musikalische Parameter
übertragen. Sie dienten auch für die Übertragung auf die
Elektronik.
Stimme (vorbearbeitete Elektronik)/ Text
und Klagegesang:
Die aufgenommenen Klänge werden zum einen bandpassgefiltert. Wir
erhalten also horizontale Klangstreifen, die alle die gleiche zeitliche
Information, jedoch nur die Obertonstruktur, des entsprechenden ausgefilterten
Frequenzbandes enthalten. Zum anderen werden die Klänge in vertikale
Blöcke geschnitten, z.B. in einzelne Silben, Konsonaten oder Vokale.
Dabei bleibt die Obertonstruktur unverändert, die zeitliche Strukturierung
wird dadurch aber variabel.
Wenden wir beide Prozesse an, erhalten wir lauter kleine Klangwürfel,
die alle verschiedene zeitliche, wie spektrale Informationen haben. Diese
Klangwürfel werden in einer Tabelle gespeichert. Nur wenn die Tabelle
in der richtigen Reihenfolge ausgelesen wird, wird der urspruengliche
Klang wieder "restauriert"
( - Rätsel...).
Live-elektronisch veränderter Instrumentalklang:
unter anderem wird durch Waveshaping (Wellendeformation) die Obertonstruktur
des Signales verbreitert und anschliessend FFT gefiltert (Analyse des
Signals, Modulation, Re-Synthese). Die Klanfarbenänderungen ergeben
sich dadurch, dass Filterbänder gegenseitig vertauscht und zeitlich
unterschiedlich verzögert werden.
Anhang zu B Kommunikation: Paradoxe und
Gegenparadoxe
Stichworte (für Audiodesign):
Veränderunge erster Ordnung:
bewirken Veränderungen innerhalb des Systems. Die Menge (das System)
bildet dann eine Gruppe im mathematischen Sinn wenn folgende 4 Bedingungen
erfüllt sind:
1 Kombination, ..eine Operation auf Grund einer für die Gruppe geltende
Kombinationsregel nx1=n.
2. Assoziativgesetz,...dass man die Elemente in verschiedener Reihenfolge
kombinieren kann, das Resultat der Kombination aber diselbe bleibt, z.b.
a, b und c seien Elemente einer Gruppe, o sei das Zeichen der durch die
Kombinationsregel dieser Gruppe bestimmten Operation: dann ist (ao b)
o c=bo (ao c ) oder jede andere der möglichen Kombinationen dieser
drei Elemente.
3. Einheitselement, neutrales Element:,: ...wäre die Gesamtheit aller
Töne eine Gruppe, so wäre ihr Einheitselement die Stille.
In Gruppen deren Kombinationsregel die Addition ist, ist das Einheitselement
Null: 5+o=5
4. Inverse, ..ein ihm entgegengesetztes Element, wenn die Kombinationsregel
die Addition ist 5+(-5) = o
Veränderungen zweiter Ordnung:
bewirken Veränderungen des Systems selbst.
.. dass das Einheitselement einer Gruppe deren Kombinationsregel auf der
Multiplikation beruht, die Zahle 1 ist. Wird die Kombinationsregel aber
zur Addition abgeändert (Veränderung zweiter Ordnung) so erhalten
wir anstelle von nx1=n----n+1=n+1
Solche Veränderungen nun werden oft durch Diskontinuität, einen
Sprung oder eben durch ein Paradoxon herbeigeführt. -ps: in der Systemtheorie
sprechen TheoretikerInnen von einem ps, als dem Punkt des Systems, in
welchem die grösste Zahl der wesentlichen Funktionen eines Systems
zusammenlaufen. Wechselt man diesen Punkt aus, so erreicht man die grösstmögliche
Veränderung bei kleinstem Energieaufwand.
-Saltologie: (vom lat. "saltus"= Sprung)...dass völlig
überraschende Ereignisse eintreten, sobald eine fundamentale Regel
eines Systems verändert wird.
aus: Mara Selvini "Paradoxon und Gegenparadoxon"
aus: Paul Watzlawick "Lösungen"
(mela meierhans mai/juni 99)
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