Fotos: © Julia Scheschonka |
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Heimat
Moderne
9. September 2005, Leipzig, Brühl
Areal beim Bahnhof, 19 und 21 Uhr
"breitengrad leipzig"
ein begehbares konzert
für einen Ort, Ensemble, 2 Stimmen und Zuspielband
Komposition: Mela Meierhans
Konzept: Mela Meierhans/Boris Friedewald
Dramaturgie: Boris Friedewald
Breitengrad Leipzig ist als begehbares Konzert angelegt,
das eigens für den öffentlichen Raum am Brühl komponiert
und konzipiert ist.
An diesem für Leipzig außerordentlich bedeutsamen Ort konzentrierten
sich einst die sammelnden Qualitäten, die zur Gründung der Stadt
Leipzig führten. Doch neben diesem Gründungsimpuls scheinen
zum Genius Loci gleichzeitig die auflösenden Kräfte der Zerstörung
und Vertreibung zu gehören. So werden sich auch die 12 Musiker sowie
der Sänger und die Sängerin nicht beständig an einem Ort
aufhalten, sondern sich im Rahmen des Konzerts zu unterschiedlichen Orten
des Brühls bewegen und zu ihnen in einen Dialog treten. Dem Ort entsprechend,
wird sich die Komposition sowohl durch determinierte als auch offene Strukturen
auszeichnen. Thematisch nimmt sie immer wieder kritisch Bezug auf die
Götterdämmerung von Richard Wagner, der dort geboren
wurde und mehrere frühe Lebensjahre am Brühl verbrachte. Bestandteile
dieser Komposition sind mehrere Zuspielbänder, die in die Architektur
integriert sind und wie ein Stethoskop akustische Identitäten des
Brühls hörbar macht.
Programmheft
Artikel Freie Presse Chemnitz, 12.9.2005
Artikel Wochenzeitung, 5.10.2005
Buch "Heimat Moderne", Jovis Verlag
Sattelfeste Brünhilde
Breitengrad Leipzig ein begehbares Konzert (Brühl 9.9., 19
und 21 Uhr)
Ein lebendiges Pferd ist weltweit nur in einem einzigen Ring
- Zyklus zu bestaunen in Budapest wiehert und pinkelt ein Grane
genanntes Roß auf der Bühne, während Brünhilde ihren
Siegfried umklammert. Der Schweizer Komponistin Mela Meierhans, erklärtermaßen
keine Wagnerjüngerin, diente diese absurde Szenerie nicht als Anregung
für ihr Götterdämmerungsprojekt. Die Neutönerin hat
noch nie eine Wagner-Oper gesehen.
Für Heimat Moderne erhielt die 44jährige trotzdem
einen Kompositionsauftrag, bei dem sich alles um die Götterdämmerung
drehen soll und ein echtes Pferd am ehemaligen Geburtshaus des
Leipzigers (jetzt Karstadt) die Aufführung in Bewegung bringt. Die
sattelfeste Brünhilde wurde tiefergelegt, als Mezzosopranistin bekommt
sie einen countertenörigen Siegfried zur Seite gestellt. Mela Meierhans
will mit Klischees spielen, eine Persiflage zur Aufführung bringen.
Das Vorspiel zur Götterdämmerung hat sie bearbeitet,
u.a. Texte ihres Heimatdichter Dürrenmatt eingebaut. Vor der Plattenbauskulisse
wird Wagners Heldin, begleitet von Elektronik und 12 Instrumentalisten,
dann die 16 Grundsätze des Städtebaus (Beschluß
der DDR vom 27.7.1950) von sich geben. Geklammert wird das eigenwillige
Libretto vom Geiste, den die Nornen zu Beginn der Wagner-Apokalypse spinnen.
Der Brühl als Ort soll bespielt, zwischen den verschiedenen Stationen
eine Zeitachse verlegt werden (die Aufführung endet am neuen Bildermuseum).
Das Konzept klingt nicht unspannend, und Mela Meierhans, mit Nono, Cage
und Schönberg aufgewachsen, gesteht am Ende ihrer Arbeit verwundert,
daß sie zumindest versteht, warum es Menschen gibt, die bei Wagner
verrückt werden. Ich konnte mit dem Antisemiten
lange nichts anfangen, gibt sie sich selbst nicht ganz klischeefrei.
Doch beim Studium der Partitur habe es Klick gemacht. Trotzdem
werde ich kein Fan, und wer Wagner liebt, wird über meinen Umgang
nicht erfreut sein, kündigt sie an.
Lutz Stordel
Heimat Moderne, Experimentale 1
Leipzig, 5. März bis 11. September 2005
Leipzig (ots) - In Leipzig wurde heute erstmals das durch die Kulturstiftung
des Bundes geförderte Projekt Heimat Moderne, Experimentale 1, Leipzig
2005 vorgestellt. Vielerorts ist die Nachkriegsmoderne zu einer Störstelle
im Stadtbild geworden - auch in Leipzig. Das Projekt Heimat Moderne, das
vom 5. März bis 11.
September 2005 in Leipzig stattfindet, will die Frage, welche Bedeutung
das architektonische, aber auch das gesellschaftliche und kulturelle Erbe
der Moderne für die Identität der Stadt heute noch hat, aufgreifen
und öffentlich diskutieren.
Für das Projekt Heimat Moderne haben sich fünf verschiedene
Leipziger Institutionen und Gruppen aus den Bereichen der Bildenden Kunst,
Musik, Theater, Architektur und Stadtplanung zum Trägerverein Experimentale
e.V. zusammengeschlossen: Galerie für Zeitgenössische Kunst
Leipzig, Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig, Büro für
urbane Projekte, General Panel und raum4.
Das Programm besteht aus über 70 Veranstaltungen mit rund 140 internationalen
Künstlern, Musikern, Theater- und Filmschaffenden, Publizisten, Stadtplanern,
Architekten und Wissenschaftlern. Das Projekt Heimat Moderne fokussiert
drei zentrale Orte der Leipziger Innenstadt: das Musikviertel, den Augustusplatz
und das Areal Brühl/Robotron. Die gewählten Orte stehen beispielhaft
für eine Auseinandersetzung mit dem städtebaulichen und architektonischen
Erbe der sozialistischen Moderne in Leipzig.
Das Programm von Heimat Moderne umfasst eine Ausstellung zum Verhältnis
von Heimat und Utopie (Via Lewandowsky), ein Konzert von Luigi Nonos Spätwerk
"La lontananza nostalgica utopica futura" (Duo Gelland), ein
begehbares Musiktheater von Mela Meierhans sowie den Kurzfilmwettbewerb
"Replay: Resist!", die Publikation eines Proteststadtplans,
die Uraufführung des Theaterstücks "schöner scheitern"
(Soeren Voima), eine Ausstellung zur Transformationsgeschichte des Augustusplatzes,
Perfomances, Audiolounge, Filmprogramm u.v.a. Zum Projekt Heimat Moderne
erscheint ein dreiteiliger Katalog, der das umfangreiche Rahmenprogramm
von März bis September 2005 inhaltlich ergänzt.
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